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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 06.06.2003
Aktenzeichen: 3 Q 49/02
Rechtsgebiete: VwGO, AbfG, VwVfG, BGB


Vorschriften:

VwGO § 124 II Nr. 1
VwGO § 124 II Nr. 2
VwGO § 124 II Nr. 3
AbfG § 3 II
VwVfG § 62 Satz 2
BGB § 133
BGB § 154
BGB § 154 I
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Q 49/02

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen anteiliger Erstattung von Altlastensanierung der Mülldeponie Zweibrücken im Rechenbachtal

hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Neumann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Philippi und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Nalbach am 6. Juni 2003 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 29.4.2002 - 1 K 149/96 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 3.194.863,57 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Keiner der nach § 124 II Nr. 1 bis Nr. 3 VwGO vorgebrachten Zulassungsgründe liegt vor.

Die Beteiligten streiten im Zulassungsverfahren über die Vertragsauslegung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages vom 9.4.1987.

Der Vertrag wurde zwischen der Stadt Zweibrücken als Deponiebetreiberin und dem KABV (Rechtsvorgänger des Beklagten) geschlossen. Er regelt neben der vertraglichen inzwischen ausgelaufenen Mitbenutzung des KABV dessen Anteil an der Altlastensanierung zugleich für die seit 1971 angelieferten Müllmengen der Stadt Homburg. Streitig ist zwischen den Beteiligten die Auslegung des § 5 I 1 des Vertrages vom 9.4.1987 (im folgenden als Vertrag bezeichnet) mit folgendem Wortlaut:

Der Kommunale Abfallbeseitigungsverband Saar übernimmt anteilmäßig nach dem Verhältnis der angelieferten Müllmengen die Altlasten für die Deponie im Rechenbachtal, seit Aufnahme der Anlieferung über den Kommunalen Abfallbeseitigungsverband und auch für die Stadt Homburg, soweit diese für die Abfallbeseitigung in den ersten Vertragsjahren noch zuständig war.

Die Klägerin legt die Zuständigkeit der Stadt Homburg und damit den Altlastenanteil weit aus und versteht darunter flächendeckend die allgemeine abfallrechtliche Zuständigkeit der Stadt Homburg für das gesamte Stadtgebiet ungeachtet satzungsmäßiger Ausschlüsse und deshalb einschließlich der Abfallanlieferung privater Dritter aus dem Stadtgebiet Homburg (Zulassungsvorbringen S. 7/8). Der Beklagte und das Verwaltungsgericht legen die Zuständigkeit und damit auch den Altlastenanteil dagegen eng aus unter Beachtung gesetzlicher und satzungsmäßiger Ausschlüsse von der Abfallentsorgungspflicht und begrenzen die sanierungspflichtigen Abfallieferungen auf die eigenen Abfallieferungen der Stadt Homburg als Entsorgungspflichtige. Die Gesetzes- und Satzungslage zur Zeit der Müllanlieferung aus Homburg ab 1971 ist zwischen den Beteiligten außer Streit. Insbesondere steht fest, daß die Stadt Homburg im Sinne von § 3 II Abfallbeseitigungsgesetz in der ursprünglichen Fassung vom 7.6.1972 (BGBl. S. 873) sowie der Nachfolgernorm die nach Landesrecht zuständige Körperschaft des öffentlichen Rechts war, die die in ihrem Gebiet angefallenen Abfälle zu beseitigen hatte, und daß nach § 2 II der ursprünglichen Müllabfallsatzung der Stadt Homburg vom 20.3.1969 Erde, Bauschutt und Schlamm - darum geht es bei den Drittanlieferungen - von der städtischen Müllbeseitigungspflicht wirksam ausgeschlossen waren. Zum Einzelnachweis der gesetzes- und satzungsmäßigen Bestimmungen wird auf die eingehenden, insoweit nicht angegriffenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Urteil S. 17 bis S. 19 in vollem Umfang Bezug genommen.

Streitig ist und im Rahmen des vorgebrachten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel und der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten zu entscheiden, ob die Vertragsauslegung die Zuständigkeit der Stadt Homburg abstrakt und flächenmäßig oder konkret unter Beachtung satzungsmäßiger Ausschlüsse zu verstehen hat.

Nach Ansicht des Senats führt die Auslegung nach den für den öffentlich-rechtlichen Vertrag zu beachtenden Auslegungskriterien und unter Berücksichtigung eines neueren BGH-Urteils zu einem ganz ähnlichen Problem der Vertragsauslegung der abfallrechtlichen Zuständigkeit dazu, daß an dem engen Auslegungsergebnis des Verwaltungsgerichts kein ernstlicher Zweifel bestehen kann.

§ 62 Satz 2 VwVfG und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften verweisen für den öffentlich-rechtlichen Vertrag ergänzend auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, daß die Auslegung öffentlich-rechtlicher Verträge entsprechend den §§ 133, 157 BGB unter Beachtung der Zielsetzung der Vereinbarung erfolgt.

BVerwG, Urteil vom 19.1.1990 - BVerwG 4 C 21.89 -, BVerwGE 84, 257 - 264/265; zur Maßgeblichkeit des Zwecks der Vereinbarung nach zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätzen auch Jauernig, BGB, 10. Aufl. 2003, § 134 Rdnr. 10.

Nach der neueren Rechtsprechung des BGH kommt es auf eine beiderseits interessengerechte Auslegung an.

BGH, Urteil vom 7.3.2002 - III ZR 137/01 -, S. 3 und 4 des Juris-Ausdrucks.

Der vom BGH im Jahr 2002 entschiedene Fall weicht zwar insofern von dem vorliegenden Sachverhalt ab, als die Vertragsauslegung die Anlieferung von Bio-Abfall eines Landkreises an ein Kompostwerk betrifft und mithin keine Altanlieferung. Der Vertrag ließ - und darin liegt die Parallele zu vorliegendem Vertrag - die Auslegung zu, daß die Abfallieferung flächendeckend aus dem gesamten Kreisgebiet zu erfolgen hatte oder umgekehrt nur konkret nach Maßgabe satzungsgemäßer Ausschlüsse. Der BGH geht bei der Entscheidung dieser Streitfrage davon aus, daß die interessengerechte Auslegung die sachgerechte Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben eines Landkreises einschließen muß. Sodann heißt es in dem BGH-Urteil vom 7.3.2002 - III ZR 137/01 -, S. 4 des Juris-Ausdrucks:

Die vertraglich zu regelnde Andienung des Bio-Abfalls bei der Klägerin war grundsätzlich nur sinnvoll in bezug auf Abfälle, die der Beklagte seinerseits von seinen Bürgern zur Verfügung gestellt bekam; letzteres zu regeln war (auch) eine Sache der kommunalen Satzung.

Der BGH stellt also bei der Auslegung des abfallrechtlichen Zuständigkeitskreises nicht auf das gesamte Gebiet der öffentlich-rechtlichen Körperschaft ab, sondern läßt engerkonkrete Satzungsausschlüsse durchgreifen. Nichts anderes hat das Verwaltungsgericht entschieden, und dem schließt der Senat sich an.

Die nach der dargelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu beachtende Zielsetzung des Vertrages 1987 bestätigt, daß das Verwaltungsgericht eine interessengerechte Auslegung gefunden hat. Die Zielsetzung ist bezogen auf die streitige Altlastenregelung in § 5 I des Vertrages in § 5 II 1 des Vertrages 1987 mit folgendem Wortlaut ausdrücklich geregelt:

Mit dem Abschluß dieses öffentlich-rechtlichen Vertrages ist die Zweckvereinbarung zwischen der Stadt Zweibrücken und der Stadt Homburg über den Betrieb einer Mülldeponie vom 10. Oktober 1971 (unter Berücksichtigung der Vereinbarung zur Frage der Folgelasten) abgewickelt.

Der Vertrag vom 10.10.1971 (im folgenden: Vorgängervertrag) ist für das Verständnis des streitigen Vertrages von Bedeutung. Auch die Klägerin trägt zu Recht in ihrem Zulassungsvorbringen (S. 5) vor, die streitige Vorschrift des § 5 I des Vertrages 1987 müsse aus der Sicht des Vertrages 1971 gesehen werden. Nach ihrer Auslegung ist der Vorgängervertrag darauf ausgerichtet, daß die Abfallmengen aus dem räumlichen Bereich der Stadt Homburg angeliefert werden (Zulassungsvorbringen S. 5). Die Klägerin hätte Recht, wenn in dem Vorgängervertrag das Nutzungsrecht der Deponie und damit auch die Verantwortung nach Stadtgebieten - Homburg und Zweibrücken - verteilt worden wären. Eine Nutzungsverteilung nach Stadtgebieten und eine entsprechende Kostenverteilung nach Stadtgebieten hätte auch eine später vertraglich geregelte Verantwortlichkeit für die Sanierung nach Stadtgebieten indiziert. Im Sinne der BGH-Rechtsprechung hätte eine gleichberechtigte Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben beider Städte während der Vertragsdauer bei der Nutzung der Deponie, der Verantwortung für die Deponie und der Kostenteilung als interessengerecht auch eine gleichmäßige Sanierungsverantwortlichkeit nach den Stadtgebieten indiziert. Unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten könnte der Auslegung der Klägerin dann schwerlich widersprochen werden.

Die öffentlichen Aufgaben in dem Vorgängervertrag 1971 waren indessen, wie das Verwaltungsgericht zu Recht hervorgehoben hat, ungleichmäßig mit Schwergewicht bei der Klägerin verteilt.

Der dem Senat in der KABV-Akte vorliegende Vorgängervertrag vom 8.10.1971 weist zunächst in § 1 nicht beide Städte, sondern die Stadt Zweibrücken als Betreiberin der Mülldeponie im Rechenbachtal aus. In § 2 wird nach der vertraglichen Überschrift das Benutzungsrecht geregelt. Ein Benutzungsrecht der Stadt Homburg flächendeckend für alle Abfälle aus ihrem Gebiet ist ihr aber gerade nicht eingeräumt. Vielmehr regelt § 2 I ein Benutzungsrecht der Stadt Homburg nur nach Maßgabe von deren Müllabfuhrsatzung und damit genau in dem Sinn, in dem das Verwaltungsgericht die jetzt streitige Sanierungsbestimmung auslegt. Die Stadt Homburg hat also nach dem Vorgängervertrag nur das vertragliche Recht, die Deponie für eigene Müllanlieferungen nach Maßgabe ihrer Satzung zu benutzen. Die Stadt Homburg hat nach dem Vorgängervertrag auch kein Recht, über die Müllanlieferungen Privater aus ihrem eigenen Stadtgebiet zu entscheiden. Vielmehr bestimmt insoweit § 2 III 1 Vorgängervertrag:

Die Stadt Zweibrücken kann Dritten innerhalb des Stadt- und Landkreises Zweibrücken sowie des Landkreises Homburg die unmittelbare Ablagerung von Müll gestatten.

Die Stadt Zweibrücken hat während der Vertragsdauer von ihrem Alleinentscheidungsrecht Gebrauch gemacht und private Drittanlieferungen von Erdaushub und Bauschutt aus dem räumlichen Bereich Homburg zunächst erlaubt, später aber mit einer Verfügung vom 30.3.1984 verboten, da keine vertragliche Gestattungspflicht bestehe (vgl. VG-Akte Blatt 395). In dem Vorgängervertrag sind die Betriebskosten konsequenterweise nicht nach den Herkunftsgebieten des Mülls aus dem saarländischen Homburg oder dem rheinland-pfälzischen Zweibrücken verteilt, sondern nach den Verantwortlichkeiten. Nach § 5 I 1 Vorgängervertrag beteiligt sich die Stadt Homburg an den Betriebskosten nach Maßgabe des von ihr angelieferten Mülls. Übereinstimmend damit werden nach § 5 I 2 Vorgängervertrag Drittanlieferungen nicht nach Stadt- oder Landesgrenzen verteilt, sondern insgesamt behandelt und von der Ausgleichsmasse vorweg abgesetzt. Der von der Klägerin selbst zutreffend gesehene Gesichtspunkt, daß die streitige Sanierungsregelung des Vertrages 1987 aus der Sicht des Vorgängervertrages 1971 gesehen werden muß, führt mithin zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis. § 5 I des Vertrages 1987 knüpft für die Sanierungsverantwortlichkeit an die seinerzeitige Zuständigkeit der Stadt Homburg für die Abfallbeseitigung an. Aus der Sicht des Vorgängervertrages 1971 erhielt die Stadt Homburg nur Rechte und Verantwortlichkeiten nach Maßgabe ihrer eingeschränkten Satzungszuständigkeit für die eigene Müllabfuhr; das Entscheidungsrecht insbesondere über private Drittanlieferungen aus dem Landkreis Homburg hatte sie nicht, so daß von einer vertraglichen flächendeckenden Zuständigkeit für den gesamten Stadtbereich von Homburg keine Rede sein kann. Dieser eingeschränkten Verantwortlichkeit für die Benutzung trägt auch die eingeschränkte Verantwortlichkeit für die Sanierung beiderseits interessengerecht im Rahmen der nach der BGH-Rechtsprechung zu beachtenden öffentlichen Aufgabenverteilung Rechnung. Insofern unterliegt die Vertragsauslegung des Verwaltungsgerichts keinen ernstlichen Zweifeln und kann auch nicht von besonderen tatsächlichen rechtlichen Schwierigkeiten gesprochen werden, die das Ergebnis offen erscheinen lassen.

Die dargestellte Zweckverknüpfung von Sanierungsverantwortlichkeit und ursprünglicher Nutzungs- und Entscheidungsverantwortlichkeit wird auch nicht durch die zu beachtende Verhandlungsgeschichte des Vertrages 1987 in Frage gestellt. Das Verwaltungsgericht hat unter ausführlicher Auswertung der Dokumente der Vertragsgeschichte (S. 22 bis 24 des angefochtenen Urteils) überzeugend dargelegt, daß es keinen Hinweis darauf gibt, daß der KABV auch Altlasten mit Blick auf Drittanlieferungen übernehmen sollte; vielmehr habe es Anhaltspunkte für die Anerkennung des Verursacherprinzips gegeben. Der Klägerin gelingt in dem Zulassungsvorbringen nicht die Widerlegung dieses Standpunkts, sondern sie beanstandet im wesentlichen (S. 10 des Zulassungsvorbringens), das Verwaltungsgericht hätte seinen Ansatzpunkt umkehren müssen. Es gehe nicht darum, ob die Vertragsverhandlungen etwas über die Einbeziehung von Drittanlieferungen hergäben, sondern gerade umgekehrt darum, ob sich etwas für den Ausschluß von Drittanlieferungen entnehmen lasse. Gerade dies sei nicht der Fall.

Ungeachtet dessen ist der Ansatz des Verwaltungsgerichts richtig, weil er durch den dargelegten Sinnzusammenhang zwischen Vorgängervertrag 1971 und dem Vertrag 1987 vorgegeben ist. Folgt aus der eingeschränkten vertraglichen Deponienutzung auch die eingeschränkte Sanierungsverantwortlichkeit als beiderseits interessengerechte Lösung, so kommt es im Ansatz nur darauf an, ob aus der Vertragsgeschichte Dokumente ersichtlich sind, nach denen die Vertragspartner dennoch von der nicht interessengerechten Einbeziehung der Drittanlieferungen in die Altlastenverantwortlichkeit ausgegangen sind. Solche Dokumente sind nach der überzeugenden Würdigung des Verwaltungsgerichts nicht zu erkennen. Ergänzend zu diesen Darlegungen ist noch darauf hinzuweisen, daß auch die Klägerin während der Vertragsverhandlungen in einem Schreiben vom 24.4.1986 (VG-Akte Band II, Blatt 352/353) dem KABV eine befristete weitere Nutzung der Deponie unter anderem zu folgenden Konditionen anbot:

Übernahme der anteiligen Altlasten aus den Anlieferungen der Stadt Homburg durch den KABV und ersatzweise durch die Stadt Homburg.

Dieser ursprüngliche Konditionsvorschlag beschränkte sich erkennbar auf die Anlieferungen der Stadt Homburg selbst und entsprach damit der vom Verwaltungsgericht zutreffend gewürdigten Interessenlage der Abgrenzung der öffentlich-rechtlichen Verantwortung für die Nutzung der Deponie.

Ebensowenig wie durch die Vertragsvorgeschichte des Vertrages 1987 wird der Standpunkt des Verwaltungsgerichts durch die Vertragsnachgeschichte, nämlich die Verhandlungen der Beteiligten über die zahlenmäßige Festlegung von Altlasten und Altlastanteil in den Jahren 1988 bis 1995 und damit bis zur Erhebung der Klage im vorliegenden Verfahren berührt.

Nach dem Standpunkt der Klägerin im gesamten Klageverfahren und auch im Zulassungsvorbringen haben die Beteiligten sich über einen Punkt - den zahlenmäßigen Anteil des Beklagten an der Altlast (Sanierungsschlüssel) - in den Verhandlungen bindend geeinigt, über den zahlenmäßigen Umfang der Altlast (Sanierungskosten) dagegen nicht. Nach der Ansicht des Beklagten und des Verwaltungsgerichts haben die langjährigen Verhandlungen im Gesamtergebnis zu keiner bindenden Einigung geführt und stehen mithin der wie dargelegt gefundenen interessengerechten Auslegung des Vertrages 1987 über die Begrenzung des Altlastenanteils der Stadt Homburg nicht entgegen.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts trifft im Ergebnis eindeutig zu. Der Senat würdigt die Nachverhandlungen der Vertragspartner von 1988 bis 1995 zusammenfassend wie folgt: Der Vertrag 1987 hatte in § 5 I zwei wesentliche Punkte offengelassen, nämlich die Bezifferung der Altlasten insgesamt und die Bezifferung des Anteils des KABV. Für die Ausfüllung des Vertrages bestimmte § 5 IV 1 des Vertrages 1987:

Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Vertrag sollen tunlichst auf dem Verhandlungswege zwischen den beiden Vertragspartnern beigelegt werden.

Solche Verhandlungen zur Abwicklung der Altlasten haben zwischen 1988 und 1995 stattgefunden, und zwar ausweislich der Akten sowohl über die Bezifferung der Altlasten insgesamt als auch über die Bezifferung des Altlastenanteils des KABV (also über Sanierungskosten und Sanierungsschlüssel). Während der langjährigen Verhandlungen wurde zeitweise - mit dem Briefwechsel der Beteiligten 1989 - eine Verständigung über den Altlastenschlüssel des KABV einschließlich Drittanlieferungen erzielt.

vgl. das Schreiben der Klägerin vom 9.6.1989, KABV-Akte Blatt 6, und das Antwortschreiben des KABV im Sinne eines Einverständnisses mit den aufgezeigten Lösungsvorschlägen vom 18.7.1989, KABV-Akte Blatt 7.

Ob diese öffentlich-rechtlichen Verhandlungen über die zahlenmäßige Abwicklung des Altlastenvertrages zu einem vertraglich bindenden Ergebnis geführt haben oder nicht, unterliegt nicht einer freien richterlichen Würdigung, sondern ist in dem nach § 62 Satz 2 VwVfG anwendbaren § 154 I BGB geregelt. § 154 I BGB bestimmt für die hier relevante Frage, wann Vertragsverhandlungen abgeschlossen sind:

Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat.

Für die fehlende Bindungswirkung eines Vertragsabschlusses genügt es, daß die Beteiligten sich über einen für sie objektiv wesentlichen Vertragspunkt nicht geeinigt haben.

Jauernig, BGB, 10. Aufl. 2003, § 154 Rdnr. 2.

So liegt der Fall hier, denn gerade die Bezifferung der Sanierungskosten insgesamt mit dem Ziel einer Zahlungssumme hatte für die Abwicklung des Vertrags für beide Beteiligte erkennbar wesentliche Bedeutung. Nachdem die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 8.8.1991 die Sanierungssumme von seinerzeit rund 57,6 Millionen DM genannt hatte, hatte der KABV alsbald mit Antwortbrief vom 23.8.1991 diesen Vorschlag als außerhalb aller Erfahrungswerte zurückgewiesen. Bei diesem Dissens blieb es, und mit weiterem Schreiben vom 10.3.1993 stellte der KABV in den Vertragsverhandlungen zusätzlich einen gerichtlich zu klärenden Dissens auch bei dem zwischen 13 % und 36 % streitigen Anteilschlüssel an den Altlasten fest.

Die Wertung des § 154 BGB führt dazu, daß der Einigungsmangel bei den wesentlichen Punkten des Vertrages auf die zuvor erzielte Teilverständigung durchschlägt.

Dieses gesetzliche Ergebnis gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt.

Jauernig, BGB, 10. Aufl. 2003, § 154 Rdnr. 3.

Nach der Würdigung des Senats hat keiner der Vertragsbeteiligten bei den Verhandlungen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Die Tatsache, daß die Klägerin, die die aktive Rolle in den Verhandlungen hatte, zunächst den Anteilschlüssel und erst danach die doch wesentliche Gesamtgrößenordnung der Altlast verhandelte, kann nicht als treuwidrig angesehen werden, da sie wohl den leichteren Verhandlungsgegenstand zuerst angehen wollte. Sie ging aber damit objektiv das Verhandlungsrisiko ein, daß der Beklagte - wie es denn auch geschehen ist - in Kenntnis von der erheblichen Größenordnung der Altlasten auf einer genauen Nachverhandlung des Anteilschlüssels bestand. Letzteres kann ebensowenig als treuwidrig angesehen werden, da es verständliche Interessenwahrung der öffentlichen Hand ist, bei einer wesentlich höheren Verhandlungssumme den Anteilschlüssel sorgfältiger auszuhandeln. Beide Vertragsbeteiligte haben in verständlicher Art ihre jeweiligen Interessen gewahrt mit dem Ergebnis, daß über die beiden objektiv wesentlichen Punkte insgesamt der Größenordnung der Altlasten und des Anteilschlüssels keine vertragliche Gesamteinigung aus eigener Kraft mehr erzielt werden konnte und deshalb ein vernünftiger Anlaß für gerichtliche Hilfe bestand, die aber in einer interessengerechten Vertragsauslegung unabhängig von den wechselnden Teilerfolgen in der letztlich gescheiterten Verhandlungsführung erfolgt.

Nach allem führt die Überprüfung ungeachtet der zahlreichen vom Senat gesehenen Detaileinwendungen der Klägerin gegen die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu dem Gesamtergebnis, daß die interessengerechte Vertragsauslegung des Verwaltungsgerichts keinen ernstlichen Zweifeln unterliegt und mithin auch keine Ergebnisoffenheit im Sinne besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Vertragsauslegung besteht. Diese beiden Zulassungsgründe führen nicht zur Zulassung eines Berufungsverfahrens.

Weiter macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 124 II Nr. 3 VwGO mit Blick auf die Kriterien der Vertragsauslegung geltend.

Der Zulassungsgrund der Grundsatzfrage setzt voraus, daß die Frage in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden kann und ein Klärungsbedürfnis in dem Sinn besteht, daß sich die Frage nicht bereits unschwer aus dem Gesetz oder auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten läßt.

vgl. zum ersteren Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 124 Rdnr. 10; zum letzteren Bader u.a., VwGO, § 124 Rdnr. 48.

Als erste Frage von grundsätzlicher Bedeutung macht die Klägerin in dem Zulassungsverfahren geltend (S. 19 des Zulassungsvorbringens), es sei für einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zu klären, welche Auslegungskriterien in bezug auf verwendete Begriffe (hier: "zuständig") anzulegen seien. Die Begriffsauslegung in öffentlich-rechtlichen Verträgen ist aber auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres dahingehend zu beantworten, daß nach § 62 Satz 2 VwVfG in Verbindung mit den §§ 133, 157 BGB nicht bei den Buchstaben des Vertragstextes stehen zu bleiben ist, sondern der Sinn der vertraglichen Regelung und deren Zielsetzung zu beachten ist.

BVerwG, Urteil vom 19.1.1990 - BVerwG 4 C 21.89 -, BVerwGE 84, 256 - 264/265.

Auf dieser Grundlage hat das Verwaltungsgericht die Sanierungsklausel in dem Vertrag 1987 im Sinnzusammenhang mit der Verantwortungsverteilung des Vorgängervertrags 1971 ausgelegt und damit im Grundsatz diese Kriterien beachtet. Mithin scheidet zugleich eine Divergenz aus.

Weiter hält es die Klägerin (Zulassungsvorbringen S. 19) für klärungsbedürftig, ob im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages und unter Anwendung von § 62 S. 2 VwVfG besondere Auslegungskriterien zwischen zwei "öffentlichen Händen" gelten, wenn es um die Übernahme (hier der Klägerin) von Aufgaben (hier des Beklagten) im Bereich der Abfallbeseitigung geht. In dieser Fassung handelt es sich nicht um eine grundsätzliche Auslegungsfrage, sondern allein um eine einzelfallbezogene Frage, für die die Grundsatzrüge nicht eröffnet ist. Selbst wenn man die Frage zugunsten der Klägerin allgemeiner formuliert und nur danach fragt, ob besondere Auslegungskriterien für die Berücksichtigung der Aufgaben der öffentlichen Hand gelten, ist diese Frage ohne weiteres auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH zu beantworten. Nach dieser Rechtsprechung ist schon bei der Beteiligung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft im Rahmen der interessengerechten Vertragsauslegung die sachgerechte Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben in die Vertragsauslegung einzubeziehen.

BGH, Urteil vom 7.3.2002 - III ZR 137/01 -, S. 4 des Juris-Ausdrucks.

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung liegt es auf der Hand, daß auch dann, wenn auf beiden Seiten des Vertrages öffentlich-rechtliche Körperschaften beteiligt sind, im Rahmen der beiderseitigen interessengerechten Auslegung die sachgerechte Wahrnehmung von deren öffentlichen Aufgaben zu den Auslegungskriterien gehören. Das verwaltungsgerichtliche Urteil geht ebenfalls davon aus, denn es hat der Verantwortungsverteilung der öffentlichen Aufgaben bei der Deponienutzung entscheidende Bedeutung beigemessen. Eine Divergenz liegt auch insoweit nicht vor.

Nach allem führt auch die Grundsatzrüge zur Vertragsauslegung nicht zur Eröffnung eines Berufungsverfahrens.

Soweit das Verwaltungsgericht im Teil I seines Urteils (S. 14 bis 29 des angefochtenen Urteils) zu dem Auslegungsergebnis kommt, entsprechend der Verantwortungsverteilung umfasse der Altlastenanteil der Klägerin nur die Lieferung der Stadt Homburg und des KABV selbst, nicht der Drittanlieferer, bleiben die konkret dargelegten Zulassungsgründe der Klägerin ohne Erfolg.

Soweit das Verwaltungsgericht in dem Berechnungsteil des Urteils II (S. 29 bis 33) auf der Grundlage der Müllstatistik der Klägerin die Müllanlieferungen der Stadt Homburg und die Drittanlieferungen konkret berechnet, greift die Klägerin diesen Teil des Urteils in ihrem Zulassungsvorbringen (S. 20) zahlenmäßig nicht an, sondern allein unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, daß das Verwaltungsgericht die Drittanlieferungen entsprechend seinem Auslegungsergebnis ausgenommen habe. Da der Angriff auf diese präjudizielle Vertragsauslegung im Rahmen des Zulassungsrechts erfolglos ist, verbleibt kein selbständig dargelegter Zulassungsgrund gegenüber den müllstatistischen Berechnungen des Verwaltungsgerichts in Teil II des Urteils.

Nach dem Ergebnis des Zulassungsverfahrens greift kein Zulassungsgrund durch, so daß es bei dem vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnis zu verbleiben hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 II VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 25, 14, 13 II GKG, da die im Zulassungsverfahren in vollem Umfang aufrechterhaltene Klage der Klägerin eine bezifferte Geldleistung in der festgesetzten Höhe betrifft.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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